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"Psychologische" Bestseller

Es existieren hunderttausende "psychologische" Ratgeber: Über das Glücklichsein, das Selbstwertgefühl, die erfolgreiche Erziehung, das Finden passender Partner*innen. Interessant ist, dass ich wirklich keine einzige professionell arbeitende Person kenne, die jemals Bestseller-Autor*innen wie Michael Winterhoff, John Strelecky und Stefanie Stahl Hilfesuchenden empfohlen hätte. Dabei tragen Bestsellers dieser Autor*innen zum Beispiel diesen Claim auf dem Titel: "Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme". Man kann argumentieren, dass jede*r verständige Leser*in weiß, dass es sich dabei ganz offensichtlich um eine Unwahrheit handelt, wie sie eben in der Werbung üblich ist.


Aber in diesen Büchern gibt es sehr viele Tatsachenbehauptungen, die überprüfbar sind: Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass bis zu 90% unseres Handelns durch unser Unterbewusstsein gesteuert wird. Was nicht erwähnt wird ist zum Beispiel, welche Wissenschaftler*innen das sind, wie das Wort "Unterbewusstsein" definiert ist und was genau "gesteuert" eigentlich bedeutet. Deswegen ist der eigentliche Gehalt solcher Aussagen sehr gering. Man könnte auch sagen: Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass bis zu 100% unseres Denkens durch unser Gehirn gesteuert wird.


Viele dieser Ratgeber richten sich an ein Publikum mit psychischen Gesundheitsproblemen. Ich finde es fraglich, wenn in Büchern, die für diese Leserschaft geschrieben werden, Störungsmodelle und Therapierationale verbreitet werden, die den Grundlagen der Psychologie widersprechen. Zum Beispiel wenn nicht das biopsychosoziale Modell mit seinen vielschichtigen Wechselwirkungen als Verursachungsmodell psychischer Probleme vorgestellt wird in Ergänzung zu weiteren Modellen der Aufrechterhaltung einer Problematik. Sondern wenn einzig und allein "das innere Kind" verantwortlich ist für die momentane Problematik im Verhalten und Erleben.


Es ist interessant, dass "psychologische" Ratgeber so oft die Grundlage der Psychologie ignoriert: Es genügt nicht, wenn Autor*innen Beobachtungen über "die Psyche" machen und sich plausibel klingende Zusammenhänge ausdenken. Egal wie populär diese Aussagen auch sind, dadurch werden sie nicht wahr. Die wissenschaftliche Methode ist: Aussagen müssen empirisch überprüft werden.


Niemand von diesen Autor*innen hat wissenschaftlich etwas geleistet, niemand forscht auf einem psychologischen Gebiet. Es scheint so zu sein, dass eine sehr große Popularität und Erfolg regelmäßig einhergeht mit wissenschaftlicher Bedeutungslosigkeit. Andersherum gibt es hervorragende Bücher von Menschen, die tatsächlich wissenschaftliche psychologische Erkenntnisse verbreiten - in aller Regel mit sehr viel weniger Reichweite.

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