Die ZEIT veröffentlicht die Therapiedokumentation einer 121 Sitzungen dauernden Psychotherapie des österreichischen Psychotherapeuten Rudolf Steiner (der zufällig denselben Namen hat wie der Hellseher und Begründer der Anthroposophie). Jedes Problem sei genau gleich Psychotherapie-relevant, berichtet der Psychotherapeut: Er unterscheide nicht zwischen Alltagsproblemen und Psychopathologie.
Offenbar gibt es keine Aufklärung von über die gestellte Diagnose im Sinne von zugehörigen Symptomen, dem Verlauf, der Behandlungsbedürfrigkeit, den Nebenwirkungen von Psychotherapie, den verschiedenen Psychotherapieverfahren, keine Diagnostik mit psychometrischen Instrumenten, keine Psychoedukation über die Erkrankung, keine Besprechung des individuellen Störungsmodells, keine Besprechung des Therapierationals.
Die Sitzungsdokumentation widerspricht den Minimalamforderungen, Äußerungen sind zum Beispiel nicht im Konjunktiv ("die Patientin sagt, sie habe"), sondern werden so dokumentiert: Die Patientin "war kraftlos, ständig müde, schlief viel".
Meiner Meinung nach entspricht dieses Form der dokumentierten Psychotherapie dem, was viele als "therapeutische Begleitung" bezeichnen: Zuhören, Dasein und gelegentlich einen Tipp an Patient*innen geben.
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