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Psychotherapie mit alten und sehr alten Menschen: Eva-Marie Kessler

Prof. Dr. Eva-Marie Kessler ist Professorin für Gerontopsychologie an der Medical School Berlin (MSB). Sie berichtete beim DGVT-Kongress 2023, dass es in Deutschland einen erheblichen Mangel gibt an Psychotherapie für alte und sehr alte Menschen. Dies ist seit sehr vielen Jahren bekannt, an diesem Mangel ändert sich jedoch kaum etwas. Eva-Marie Kessler meinte, man könne ja einmal die neue Weiterbildungsordnung durchsuchen nach gerontopsychotherapeutischen Inhalten.


"In der Gesellschaft des längeren Lebens wird der Bedarf an psychotherapeutischer Versorgung älterer Menschen weiter steigen"

In der Arbeitsgruppe Gerontopsychologie an der Medical School Berlin (MSB) hat Eva-Marie Kessler transdiagnostische und verfahrensübergreifende Leitprinzipien definiert. Diese helfen neben der Orientierung an den Guidelines for psychological practice with older adults der APA.


Ageismus in der Psychotherapie

Psychotherapie richtet sich eigentlich an Menschen mit psychischen Störungen - nicht an Menschen mit psychischen Störungen, die noch nicht alt sind. Strukturell wir beispielsweise eine aufsuchende Psychotherapie mit immobilen Patient*innen durch die Psychotherapie-Vereinbarung erschwert. Dort haben die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband beschlossen:

"Leistungen gemäß Psychotherapie-Richtlinie in der vertragsärztlichen Versorgung (....) werden grundsätzlich in den Praxisräumen der Therapeutin oder des Therapeuten erbracht"

Kessler berichtete, dass Ageismus leider auch unter Psychotherapeut*innen verbreitet ist. Ageismus ist die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Alters. Sie zeigte eine quasi-experimentellen Studie (Kessler & Blachetta 2020), bei welcher Fallvignetten Psychotherapeut*innen vorgelegt werden.



Dabei zeigte sich, dass Psychotherapeut*innen gegenüber alten Menschen (hier: Herrn B., 79 Jahre) eine signifikant negative Einstellung hatten im Vergleich zu nicht-alten Menschen (hier: Herrn B., 49 Jahre). Außerdem zeigten die Therapeut*innen beispielsweise eine schlechtere Prognose gestellt hatten für den Erfolg einer Psychotherapie.


Verinnerlichte Altersbilder können insbesondere bei körperlich erkrankten Patient*innen zu Fehlentscheidungen von Psychotherapeut*innen führen.


"Sein, was man geworden ist" (Erik Erikson)

Eva-Marie Kessler berichtete, dass es für die Psychotherapie mit alten und sehr alten Menschen wirksame Psychotherapie gibt: Die aktuelle S3-Leitlinie Unipolare Depression besagt, dass für alte Menschen mit einer Depression eine Psychotherapie angeboten werden soll. Eva-Marie Kessler berichtet von der Kognitiven Verhaltenstherapie und stellt die Lebensrückblicktherapie (LRT) vor:


Zu Therapiebeginn ausgewählte Lebensbereiche bilden den roten Faden durch die Lebensrückblicktherapie. Das Vorgehen besteht aus einem integrierten Blick auf die Vergangenheit.


Auch die Kognitive Stimulationstherapie bei leichter Demenz kann empfohlen werden (siehe S3-Leitlinie Demenz). In Deutschland werde leider sehr oft nicht leitliniengerecht behandelt: Menschen mit leichter Demenz bekommen oft keine psychosozialen Hilfen, sondern eine Pharmakotherapie.




Links

Modellprojekt PSY-CARE: Ambulante Psychotherapie für zu Hause lebende ältere Menschen 60+ mit klinischer Depression und Pflegegrad

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